Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922–1941

Quellen-Datenbank

Dokument Nr. 59

5. Hilfsdiplomatie, Kommunikationswege und Vermittler

Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA),
Botschaft Moskau 373

Datum: 22. August 1934
Verfasser: Roediger, Auswärtiges Amt
Empfänger: Deutsche Botschaft in Moskau
Inhalt: Da „Brüder in Not“ nicht mehr in der Sowjetunion wirken darf, ist die Deutsche Botschaft Moskau auf der Suche nach anderen Wegen für die Versendung von Hilfslieferungen an Betroffene. Bei individuellen Lieferungen bestehe für die Empfänger die Gefahr von Verfolgung.

Auswärtiges Amt
Berlin, den 22. August 1934
An die Deutsche Botschaft in Moskau
 
Geheim.
 
Nachdem die Maßnahmen der Sowjetregierung die Fortsetzung des Hilfswerks „Brüder in Not“ und die bisherige Tätigkeit der Gesellschaft Fast & Co. unmöglich gemacht haben, ist von den beteiligten Verbänden erörtert worden, in welcher Weise künftig noch eine Hilfsaktion möglich sei. Es besteht darüber Klarheit, daß einstweilen nur der Weg der Einzelsendung durch Vermittlung des Torgsin offen steht und daß alles vermieden werden muss, was den Anschein eines zentral organisierten Hilfswerks erweckt. Es wird sich in der nächsten Zeit darum handeln, Erfahrungen zu sammeln, inwieweit die Einzelsendungen den Empfänger erreichen und ob sie ihm politisch schaden. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß das hiesige Intourist-Büro noch in den letzten Tagen, an zahlreiche früher mit dem Hilfswerk befaßte Persönlichkeiten Torgsin-Reklameprospekte versandt hat, in denen dafür geworben wird, dieser „vorzüglich arbeitenden Organisation“ Aufträge anzuvertrauen. In der gleichen Richtung geht ein Schreiben des hiesigen Vertreters der Staatsbank der UdSSR an das Reichsbankdirektorium, in dem, nach Ablehnung der Organisation „Brüder in Not“ und Fast & Co. ausdrücklich erklärt wird, daß: „An Sie gegebenenfalls eingehende Überweisungs-Aufträge seitens einzelner Auftraggeber können von Ihnen selbstverständlich entgegengenommen werden.“
Die an dem bisherigen Hilfswerk beteiligten Kreise haben Verständnis dafür gezeigt, daß bei der weiteren Bearbeitung der Angelegenheit nach Möglichkeit alle politischen Störungsmomente ausgeschaltet werden müssen. Es ist weiterhin beabsichtigt, die Versuche von Einzelsendungen auf dem Bankwege zunächst in kleinem Rahmen zu halten, um erst einmal Erfahrungen zu sammeln und die vorhandenen Mittel für die erst später zu erwartende Verschärfung der Notlage tunlichst zu schonen.
Die beteiligten Kreise haben das Auswärtige Amt um eine Äußerung gebeten, in welchem Rahmen auf Grund der neuen Verhältnisse die bisherige wertvolle Mitwirkung der Botschaft und der Konsulate fortgesetzt werden kann. Es wurde hierzu bemerkt, daß diese Mitarbeit fast unersetzlich sei, daß aber auf der anderen Seite Fälle bekannt geworden seien, in denen sich notleidende Deutsche durch ihre Verbindung mit dem Konsulat Verfolgungen ausgesetzt hätten.
Für einen Bericht über die dortige Auffassung wäre ich dankbar.
 
Im Auftrag
[Unterschrift] Roediger

Empfohlene Zitierweise:
Dokument Nr. 59, in: Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922-1941. Quellen-Datenbank. Hrsg. von Katrin Boeckh und Emília Hrabovec. URL: http://www.konnetz.ios-regensburg.de/dokumenteview.php?ID=59, abgerufen am: 19.04.2024.
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