Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922–1941

Quellen-Datenbank

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Dokument Nr. 51

5. Hilfsdiplomatie, Kommunikationswege und Vermittler

Archiv des Deutschen Caritasverbandes e. V. (ADCV),
R681,
Fasz. 01

Datum: nach September 1932
Verfasser: „Brüder in Not“
Inhalt: Logistik, wie Hilfslieferungen aus Deutschland die notleidenden „deutschstämmigen Brüder“ in der Sowjetunion erreichen: Geldüberweisungen über das sowjetische Torgsin-System, Paketsendungen über eine erprobte Firma mit Sitz in Berlin.

Vertrauliches Rundschreiben.
Nicht zur Veröffentlichung
 
 
L i e b e s g a b e n   n a c h    R u s s l a n d.
 
Die Nachrichten über die trostlose Notlage in der Sowietunion, besonders unter unseren deutschstämmigen Brüdern, werden von Tag zu Tag dringender. Eine Hungerkatastrophe in einzelnen Gebieten scheint nach dem Urteil aller Sachkundigen unvermeidlich.
Diese Tatsache zwingt uns, auf alle möglichen Hilfsmassnahmen zu sinnen. Wie die Verhältnisse heute liegen, ist  n u r  der Weg individueller Hilfe durch Geld- oder Paketsendungen an einzelne Empfänger möglich. Dank der Bemühungen der in Frage kommenden Stellen und Organisationen gibt es seit kurzem auf Grund von Abmachungen mit der russischen Seite sichere Möglichkeiten, solche Sendungen von Fall zu Fall nach unseren Weisungen von Berlin aus durchzuführen.
Die Geldüberweisung nach Russland gehen unter der Garantie einer sowjetrussischen Bankstelle an die staatlichen Torgsingeschäfte in den grösseren oder kleineren russischen Städten zu besonders ausbedungenen niedrigen Spesen (Ueberweisungen bis zu 200,-M. nur 2.-M Spesen). Die Empfänger erhalten von dem nächstliegenden Torgsingeschäft, an das die Spende geschickt wird, die Torgsinpreisliste mit der Aufforderung, sich nach dieser Liste für den übersandten Betrag die gewünschten Waren abzuholen oder schicken zu lassen. Das innerrussische Porto für diese Pakete ist festgelegt und beträgt für 10 kg. 1,50 Rubel (3,30 M.). Weil die Warenbestände in den Torgsin-Geschäften in den kleineren Städten oft unzureichend sind, besteht der Plan, die Pakete an die Empfänger in der Hauptsache aus Moskau und den grösseren Städten absenden zu lassen, sofern dies im einzelnen Falle praktisch ist oder von den Beteiligten gewünscht wird. Es sei hier noch bemerkt, dass das Torgsin-System sich in Russland immer weiter auszubreiten scheint.
Es sind weiter Paketsendungen aus dem Ausland zu günstigeren Bedingung als bisher möglich, und zwar durch eine Berliner Versandgesellschaft, deren Dienste von grösseren caritativen Organisationen vor allem der mennonitischen bereits erprobt sind; diese Gesellschaft führt auch die Torgsin-Ueberweisung aus und firmiert:
“Gesellschaft für den Paketversand nach Russland“
Inhaber Fast & Briliant, Berlin W. Wittenbergplatz 1.
 
Bekanntlich hatten die Mennoniten zur Ueberwachung ihrer recht grossen Paketversendung über die Firma Tietz bis zur Auflösung dieses Monopolvertrages mit den Russen (1. Sept. 1932) bei dieser Firma Herrn A. P. Fast Berlin W.30. Frankenstrasse 8, (Tel. Pallas 1595) als Vertrauensmann und technischen Sachbearbeiter bestimmt. Dieser Vertrauens- und Ueberwachungsposten ist bisher auch den anderen caritativen Organisationen zugute gekommen. In der erwähnten Gesellschaft wird Herr Fast in massgebender Position mitarbeiten, wodurch eine starke Garantie gegeben ist. Eine juristische oder moralische Bindung an die Treuhandgesellschaft besteht nicht, auch seitens der Mennoniten-Organisation nicht.
Da eine Konzentration aller caritativen Kräfte aus den verschiedensten Gründen geboten ist, empfehlen wir nach eingehender Prüfung aller bestehenden Möglichkeiten für Geld- und Paketsendung nach Russland diese Gesellschaft zu benutzen. (Der Vollständigkeit halber seien die anderen Möglichkeiten angeführt: Lebensmittelsendung durch die Firma R. Koschwitz & Co, Berlin-Weissensee; andere Waren durch die Firma N. Israel, Berlin, Spandauerstrasse; Medikamente durch die Simons Apotheke, Berlin, Spandauerstrasse).
Nachdem nunmehr dieser günstige und erprobte Weg vorhanden ist, ist es die unaufschiebbare Aufgabe der einzelnen Kirchen- und Hilfsorganisationen, durch geeignete Aufrufe in ihrer Presse, die ihnen nahestehenden Kreise für dieses so notwendige Hilfswerk zu mobilisieren. Aus naheliegenden Gründen müssen diese Aufrufe – falls nicht das ganze Werk gefährdet werden soll! – unbeschadet ihrer wirksamen Sprache sich jeder politischen Stellungnahme und Werturteile enthalten. Weiter ist es empfehlenswert, dass die Aufrufe nicht von einer Spitzenorganisation, sondern von den kirchlichen Stellen und Verbänden  e i n z e l n  herausgehen.
Einen Vorschlag, wie etwa ein solcher Aufruf gehalten werden sollte, erlauben wir uns beizufügen.
 
Berlin, den . . . . . . . .
 
REICHSSAMMLUNG „BRUEDER IN NOT“
 
(Unterschriften der Verbände und Mitglieder)

Empfohlene Zitierweise:
Dokument Nr. 51, in: Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922-1941. Quellen-Datenbank. Hrsg. von Katrin Boeckh und Emília Hrabovec. URL: http://www.konnetz.ios-regensburg.de/dokumenteview.php?ID=51, abgerufen am: 18.04.2024.
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